Donnerstag, 20. Dezember 2007

Album-Kritik des Jahres





Aus der Rubrik: Musik und Literatur.

Avril Lavigne: The Best Damn Thing

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Heute stelle ich Ihnen die Plattenkritik des Jahres vor. Es handelt sich um die Kritik am Album "The Best Damn Thing" von Avril Lavigne. Bitte beachten Sie, dass Teile dieser Album-Kritik bereits im Juni dieses Jahres bei Amazon.de veröffentlicht wurden.

Album-Informationen

- Erscheinungsjahr: 2007
- Künstler: Avril Lavigne
- Albumtitel: "The Best Damn Thing"
- Record Company: RCA International (Sony BMG)
- Single-Auskopplungen: "Girlfriend", "When you're gone", "Hot"

Inhalt:

1.) "Girlfriend" (Lavigne/Gottwald)
2.) "I can do better" (Lavigne/Gottwald)
3.) "Runaway" (Lavigne/Gottwald/Dioguardi)
4.) "The best damn thing" (Lavigne/Walker)
5.) "When you're gone" (Lavigne/Walker)
6.) "Everything back but you" (Lavigne/Walker)
7.) "Hot" (Lavigne/Taubenfeld)
8.) "Innocence" (Lavigne/Taubenfeld)
9.) "I don't have to try" (Lavigne/Gottwald)
10.) "One of those girls" (Lavigne/Taubenfeld)
11.) "Contagious" (Lavigne/Taubenfeld)
12.) "Keep holding on" (Lavigne/Gottwald)
13.) "Girlfriend (German Version)" (Lavigne/Gottwald)

Kritik

Im Jahre 2002 stürmte eine Kanadierin die Charts weltweit und zeigte mit ihrem Debütalbum "Let Go", dass Popmusik alles andere als einfältig sein musste.

"Complicated" hatte weltweit die Radios und Hitlisten dominiert und war zum Sprachrohr für die gesamte Jugend geworden: "Why'de you have to go and make things so complicated?".

Die Rede ist von Avril Lavigne. Aufgewachsen in einem kleinen Kaff namens Napanee (welchem sie im Song "My world" auf ihrem Debütalbum ein Denkmal setzte), hatte sie es geschafft, durch LA Reid (der vorher schon P!nk erfolgreich herausgebracht hatte) einen Plattendeal zu bekommen.

Im Skater-Outfit und dazugehöriger Hymne "Sk8er Boi", hatte sie der jungen Musikgeneration aus der Seele gesprochen.

Seichte Balladen wie "Tomorrow" und die Erfolgssingle "I'm With You" hatten sich genauso erfolgreich in ein gemeinsames Gefüge eingepasst, wie Rocksongs "Losing Grip" und "Unwanted" und Popmelodien, wie "Mobile" und "Things I'll Never Say".

Am Ende stand Avril Lavigne mit 18 Millionen verkauften Platten da und konnte auf eine erfolgreiche Tour ("Try to shut me up") mit mehr als 50 Konzerten auf 4 Kontinenten (Nordamerika, Australien, Europa, Asien) zurückschauen.

Natürlich brachte das einen gewissen Erfolgsdruck für das kommende Album mit.

Dieses erschien 2004 unter dem Titel "Under My Skin".

Avril Lavigne hatte eine Metamorphose durchgemacht. Optisch hatte sie sich vom Skater-Image gelöst. Düstere Atmosphäre prägte nicht nur das Styling, die Gothikartigen Kleider und das Design des Booklets, sondern auch die Songs.

Avril Lavigne war offensichtlich sehr daran gelegen, nun auch in anderen Kreisen ernstgenommen zu werden. Sie löste sich vom bisherigen Stil und versuchte als ernstzunehmende Künstlerin dazustehen.

Wie der Titel des Albums verriet, handelte es sich um eine Art Seelenstriptease.

Endete das erste Album mit dem Song "Naked", so schien man hier einen Schritt weiter zu gehen, nämlich sprichwörtlich unter die Haut.

Unter "Under My Skin" hatten sich zwar auch Songs, wie "Who knows" oder "Freak out" gemischt, die qualitativ unter dem blieben, was "Let Go" geboten hatte (und vor allem qualitativ unter dem blieben, was das Album "Under My Skin" ansonsten zu bieten hatte), aber alles in allem, waren wirklich gut durchdachte Kompositionen, tiefgründige Texte und gute Arrangements veröffentlicht worden.

Songs, die darauf hinwiesen, dass sich Avril Lavigne veränderte hatte, wie der Song "Slipped away" über ihren verstorbenen Großvater, "Together" oder "How does it feel", aber auch stilistisch einwandfreie Songs, wie "Forgotten" gaben sich die Klinke in die Hand, mit typischen Avril Lavigne Knallern, wie "Don't tell me" oder "Fall to pieces".

Highlight waren die beiden Singles "My happy ending" und "Nobody's home". Sie zeigten eine gereifte Avril Lavigne. Eine Avril die versucht auch von Musikkritikern und Experten ernstgenommen zu werden und die es schon geschafft hatte, mit dem ehemaligen Evanescence Mastermind Ben Moody zusammenzuarbeiten (gemeinsam schrieben sie den Song "Nobody's home").

Textlich war Avril Lavigne gewachsen und auch dieses Album konnte Punkten. Insgesamt konnte man 14 Millionen Alben verkaufen und auch die im Anschluss durchgeführte zweite Welttournee ("Bonez Tour") war ein voller Erfolg.

Über 120 Konzerte führten Avril Lavigne auf 6 Kontinente (Nord- und Südamerika, Europa, Asien, Afrika und Australien).

Nach erneuter langer Wartezeit, liegt nun das dritte Studioalbum von Avril Lavigne vor. Das sich die Künstlerin in den letzten Jahren erneut sehr verändert hat, wurde nicht nur durch ständige Stichelein gegen andere Künstler bewusst, sondern auch durch einen erneuten Stilwechsel in Kleidung etc.

Avril Lavigne war Erwachsen geworden. Am 15. Juli 2006 heiratete sie den Sänger der Band Sum 41, Deryck Whibley. Mittlerweile bevorzugt sie einen etwas angenehmeren Lebensstil und das schlägt sich auch auf das Äußere niedere. Vom ehemaligen Skater-Outfit ist ebenso wenig geblieben, wie vom Gothicartigen Auftreten bei "Under My Skin". Die derzeitige Mode zeigt Avril Lavigne eher als schickes Hollywood-Mädchen.

Aufhorchen konnte man schon vor Veröffentlichung des neuen Werkes, in dem es hieß, man solle das Album nicht so ernst nehmen, es handele sich eher um ein Spaßalbum.

Nichts destotrotz kaufte ich das Album, denn schließlich hatte man 3 Jahre gewartet.

Das Album ist leider ein Album voller "Who knows" und "Freak outs" anstelle einem erhofften Album voller "Forgottens" und "My happy endings".

Als ich das Album das erste Mal hörte, war ich schockiert. Doch das muss oft nichts heißen. Wie oft werden einige Menschen "Sgt. Peppers Lonely Hearts Club Band" 1967 von den Beatles gehört haben, bis sie es verstanden als das große Rockwerk was es war. Damals hatten sich die Beatles auch verändert und nur weil "Sgt. Pepper" völlig anders klang als die vorherigen "Yeah, yeah, yeahs", hieß es nicht das es schlecht war. Ganz im Gegenteil.

Dennoch: wir können und dürfen diesen Vergleich hier nicht ziehen.

Das Album wird auch nicht sensationell besser, je öfter man es hört.

Es ist keine Katastrophe, aber es ist vor allem auch eins nicht: ein gutes Album, einer Künstlerin, die sich vom Debütalbum zum zweiten Wurf weiterentwickelt hatte.

Wenn es eine Entwicklung gab, dann war es bei diesem Album eine Zurückentwicklung.

Grob kann man sagen, dass Avril Lavigne mit drei Songwritern auf diesem Album zusammenarbeitete. Einer hiervon war Evan Taubenfeld.

Evan Taubenfeld ist den Avril Lavigne Fans ein Begriff. Als Gitarrist und Backgroundsänger war er seit den Tagen der Promotionauftritte für "Let Go" an Bord. Er war mit im Bootleg vom Debütalbum zu sehen und spielte auch schon beim "Complicated" Video mit - es sollte eine Assoziation dargestellt werden: das ist Avril und das ihre Band (während der Studioaufnahmen wurde keiner dieser Musiker genutzt).

Ab dem "Under My Skin" Album war er wichtiger geworden. Mit "Take me away" und "Don't tell me" - welche sogar die Head-Single des Albums wurde - hatte er zwei sehr kraftvolle und tolle Songs gemeinsam mit Avril Lavigne geschrieben. Einzig "Freak out" hatte nicht an die Qualität heranreichen können.

Wie ein Schlag traf es viele Fans, als sich Evan Taubenfeld während der Bonez Tour im Jahre 2004 von der Band verabschiedete, um ein eigenes Album aufzunehmen.

Diese Arbeit scheint jedoch irgendwie auf Eis zu liegen, jedenfalls wurde das Album mehrfach angekündigt, bisher war jedoch nichts davon zu hören.

Jedenfalls erklärte sich Evan Taubenfeld bereit, auch bei einigen Songs des neuen Albums mitzuwirken.

Das war erstmal keine schlechte Voraussetzung. Das hätte zu sehr guten Songs führen können. Leider muss man jedoch sagen, dass die Songs nur durchschnittliche Popsongs sind - eine tiefe wie bei "Don't tell me" weisen sie nicht auf, eine Weiterentwicklung schon gar nicht.

"Contagious" und "One of those girls" sind Mainstream-Pop. Das ist in sofern nicht schlimm, wenn solche Songs von einigen Künstlern gern genommen werden, weil sie damit Lücken im Album füllen. Gefährlich wird es dann, wenn diese Songs zu den besten des Albums gehören!

"Hot" - die dritte Single des Albums - eine Hommage an Avril Lavignes Ehemann, rockt zwar, jedoch fehlt auch hier das Originelle, das Andersartige, das Besondere.

Einzig "Innocence" sticht hervor. Aus den Songs die die beiden zusammen geschrieben haben und aus dem Album generell. Eine wundervolle Ballade. Seichtes Arrangement, eine fantastische Stimme. Wahrscheinlich der beste Song des gesamten Albums. Was daneben auffällt, der Text ist gut durchdacht und sehr gut. Leider eine Ausnahme auf diesem Album.

Der zweite Songwriter, mit dem Avril Lavigne auf diesem Album zusammengearbeitet hat, ist Butch Walker. Auch dieser Songwriter ist den Avril Lavigne Fans ein Begriff, hat er doch einen der besten, wichtigsten und erfolgreichsten Songs von Avril Lavigne mit eben dieser zusammengeschrieben: "My happy ending".

3 Songs hat man gemeinsam erarbeitet. "The best damn thing" - den Titelsong des Albums, "When you're gone" - die zweite Single des Albums, und "Everything back but you".

Um es vorwegzunehmen: die Qualität eines "My happy ending" erreicht keiner der drei Songs.

Mit "When you're gone" hat man zwar eine Ballade geschrieben, die ins Ohr geht und die als Single auch erfolgreich war - möglicherweise noch erfolgreicher durch den Videoclip, der einmal mehr auf die Probleme der Amerikaner im Irak hinweist, auch wenn der Song nicht Politik-kritisch ist, wie übrigens kein Song auf dem Album - jedoch kann die Ballade nicht das spezielle Feuer entzünden, was man bei früheren Avril Lavigne Balladen, wie "I'm with you", "Nobody's home" oder "Slipped away" spürte oder bei der Ballade "Innocence" wieder fühlt.

Eine solide Ballade, die sicherlich zu den Highlights des Albums zählt, nicht jedoch zu denen der Lavigne im Gesamtbild.

"Everything back but you" ist ein Punkknaller und definitiv einer der stärksten, kraftvollsten und besten Songs des Albums - nebenbei auch einer der besten härteren Songs im Gesamtbild.

Zeilen wie: "The postcard that you wrote, with a stupid little note, something wasn't quite right about it, it smelt like cheap parfume and it didn't smell like you, there's no way you could get around it, because you wrote: I wish you wer her, you left out the e, you left without me [...]", sind einfach fantastisch und zeigen wie kunstvoll man selbst nicht so wichtige Themen verpacken kann.

Hinzu kommt eine Melodie die mitreißt und Vergleiche mit Punkbands, wie "Sum 41" oder "Blink 182" nicht scheuen muss.

Der Titelsong hingegen ist einer der schlechtesten Stücke des gesamten Albums.

Die Rhytmik und die Cheerleader-aufgezogenen Teile des Songs sind die eine Sache, die sicherlich nicht sehr gut sind, vor allem, wenn eine gute Bridge vorhanden ist, die den Song, trotz gutem Text jedoch nicht retten kann, denn die Strophentexte hätte man von einer pubertierenden 14-jährigen erwartet, jedoch nicht von einer Künstlerin, die vor wenigen Jahren darum kämpfte ernstgenommen zu werden.

Textstellen wie: "I hate it when a guy doesn't understand, when a certain time of month I don't wanna hold his hand", sind derart primitiv, dass man das Gefühl hat, hier wird mit dem Vorschlaghammer darauf hingwiesen, wer die Zielgruppe des Albums sein sollte: 13-15 jährige Mädchen.

Der dritte Songwriter mit dem Avril Lavigne hier zusammengearbeitet hat und der mit 6 der 13 Songs die Hälfte mit verfasst hat, ist Lukasz Gottwald.

"Keep holding on", ist eine kraftvolle Ballade, die zu den Höhepunkten des Albums zählt. Allerdings wurde dieser Song bereits auf dem Soundtrackalbum für den Film "Eragon" im Dezember 2006 veröffentlicht und zählt so eigentlich nur als Bonustrack.

Dennoch darf man diesen Song nicht außen vor lassen, denn er zählt zu den besseren Werken. Ein tolles Arrangement, eine gute Stimme, ein solider Text.

"I can do better" - was Avril Lavigne angeblich betrunken aufnahm, was einige Hintergrundgeräusche erklären würde - und "Runaway" sind durchschnittliche Popsongs.

Beide haben gute Teile in sich, können jedoch nicht auf ganzer Linie überzeugen.

Besonders bei "Runaway" ist der Qualitätsunterschied zwischen Strophen und Refrain sehr stark zu erkennen.

Schade, mit ein wenig mehr Arbeit an beiden Nummern, hätten diese zu sehr guten Nummern werden können. So stehen sie dennoch gleich am Anfang hinter der Headliner-Single, können aber nicht ganz überzeugen.

"I don't have to try" ist ein mutiger Song auf diesem Album. Der Versuch auszubrechen aus dem Altbackenen. Ein künstlerischer Versuch, der fast glückt. Dennoch vermag hier der Text ein Stück weit alles kaputt zu machen. Wem interessiert denn, wer im Hause Lavigne die Hosen an hat? Hier hören wir es - ob das sinnvoll ist, ist eine andere Frage.

Dennoch ein Pluspunkt, denn dieser Song zeigt, wo das Album hätte hinführen können, wenn man ernsthaft gearbeitet hätte und nicht ein Album produziert hätte, "was man nicht so ernst nehmen sollte."

Angekündigt wurde das Album mit der Single "Girlfriend". Etwas geschockt waren einige Fans schon, aber dennoch der Song hat was. Und er ist Party und er ist Spaß, dass merkt man. Hier hat es geklappt. Die Single zog, das Album beginnt gut damit.

Die Bonusbeigabe, in dem Avril Lavigne den Refrain in deutsch singt, kann man sich anhören und schmunzeln - auch wenn es verwundert, dass man die Originalausgabe verstümmelt, in dem man selbst auf dem Album das "motherfuckin' princess" ausblendet, während man dies auf dem Bonustrack dann hört.

Was man sich wünschen kann ist, dass Avril Lavigne zu alten Hochzeiten zurückfindet und an ihrem Songwriterdasein weiter arbeitet.

Man kann dem nächsten Album mit Erwartungen entgegensehen, denn der Erfolgsdruck ist nun geringer.

Das Album ist durschnittlich, nicht schlecht aber leider nicht das, was man anhand vergangener Anstrengungen erwartet und erhofft hatte.

Es wird in der Popmusik definitiv nicht als "The best damn thing" angesehen werden, wie auch, wenn es nicht mal "The best damn thing" des Künstlers selbst ist.

Anspieltip: "Everything back but you", "Innocence", "Keep holding on".

Mittelfeld: "I can do better", "Runaway", "When you're gone", "Girlfriend", "Hot".

Hände weg: "The best damn thing".

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Deine Meinung zu dem Album kann ich nur teilweise vertreten. Ich gebe zu, dass ich etwas enttäuscht war, als ich es zum ersten Mal gehört habe, aber mittlerweile find ich es echt toll. Das ist ein Album zum Party machen, wie Avril es auch selbst gesagt hat. Natürlich ist es lange nicht so gut wie "under my skin", aber ich denke, dass es nicht so schlecht ist, wie du es darstellst, aber das ist meine Meinung.
Avril hat übrigens in einem Interview gesagt, dass sie bei den Aufnahmen zu "girlfriend" und "I can do better" total betrunkten war. Dazu gibt es auch Filmaufnahmen. Man sieht das Tonstudio voller Schnapsflaschen und wie Avril mit einer Flasche Alkohol in der Hand Songs aufnimmt.
lg Anne

The Big MK hat gesagt…

Hallo Anne,

vielen Dank für Deinen Kommentar :-)

Es ist schön, dass Du das Album mittlerweile sehr gut findest. Einige der Songs ("Innocence", "Keep holding on" und "Everything back but you") finde ich auch sehr gut - andere dagegen reißen mich leider nicht so mit.

Klar soll es ein Party-Album sein, aber es ist schade, weil sich Avril meiner Meinung nach mit ihrem Vorgängeralbum einen sehr seriösen Ruf angefangen hatte zu etablieren.

Ob das Album dabei hilft, sie für Kritiker seriös bleiben zu lassen, möchte ich mal bezweifeln.

Ganz schlecht finde ich das Album nicht (es hat ja dann auch 3 von 5 Punkten bekommen), aber ich hoffe auf ein besseres viertes Album :-)

Dir einen lieben Dank für Deinen Kommentar und viele liebe Grüße

Marius

P.S.: Das mit dem betrunken vor allem bei "I can do better" hab ich auch gehört - würde vielleicht auch das Lachen bei der Aufnahme erklären :-)